Abbildung eines Erpresserbriefs:

Verpuffte leider wirkungslos: Die selbstlose Initiative des Schwalbe-Teams

Mittwochsfrust

Die Springer-Jungs kennen keine Gnade

Text von Matthias Dreisigacker, Bilder von Peter Maaß und Oliver Kubanek

Jeden Mittwoch dieselbe Scheiße: Man betritt die Bude des Zeitungs- und Rauchwarenhändlers seines Vertrauens, lässt beim Tabakerwerb seinen Blick weltmännisch über die in mannshohen Regalen ausgelegten Druckerzeugnisse schweifen — und erlebt die erwartete Enttäuschung: Nein, es ist doch kein Wunder passiert, der rote Kicker kommt doch erst morgen. Aber dafür liegt stets SIE da — die Sport- Bild. Bunt, für nur einen Euro und mit fetten Schlagzeilen wie „Manchester United jagt Marek Mintal!“ Im betreffenden Artikel stellt sich dann natürlich heraus, dass beim Spiel gegen Freiburg gerade mal einer der weltweit bestimmt 9000 Spielbeobachter der Tommies da war. Na ja, bestimmt lässt sich daraus eines Tages noch die Schlagzeile „Geheim: Finke zu ManU!“ schmieden.

Die Hand zuckt, die Gedanken rasen. Hmh, vielleicht lohnt es dich dieses Mal ja doch. Tut es natürlich nicht. Nie.

Jetzt hat die Sport-Bild vor kurzem ein neues Sonderheft auf den Markt geworfen. Den „Fan Report — Die schönsten Fan-Geschichten aus der 1. und 2. Bundesliga“. Dieses Mal wandern 6,30 Euro über die mit Kaugummi- und Schokoriegel bewehrte Ladentheke — davon 3,80 Euro für den Van Nelle-Tabak. Nach dem Kauf — Überraschung! — der Frust:

„Mit Sonnenbrille und Bayern-Trikot steht Manfred Rögelein in der Südkurve des Münchner Olympiastadions und trötet. Insgesamt bläst er bei einem Spiel 65 Minuten lang in sein Instrument. … Jeden Abend übt Rögelein zu Hause 30 Minuten. Inspirieren lässt er sich vom Musikantenstadl.“

Ach, so? Unter einem Bild besagten Herrn Rögeleins, im zivilen Leben Gebäudereiniger, findet sich dann die Unterzeile „Professionelle Reinigung: Rögelein benutzt eine High-Speed-Shampoonier-Maschine für perfekte Sauberkeit.“

MUSS DAS SEIN?

Das sportjournalistische Grauen hat seine Heimat bei den Autisten der Sport-Bild

Das Bedauerliche ist, dass die Redaktion tatsächlich interessante Typen aus der mittlerweile breitgefächerten, jegliche Geschlechter- und Sozialisationsgrenzen übergreifenden Fanszene aufgespürt hat. Dass man ihnen jedoch auf bisweilen nur schlichtestem Niveau nachspürt, sich in Oberflächlichkeiten und Belanglosem verfängt, ist bitter und wird den Menschen nicht gerecht. Fast kommt sogar Dankbarkeit für die Redaktion auf, wenn die schwachen Texte mit seitengreifenden Bildern marginalisiert werden.

Layout und Inhalt des Heftes sind, wie üblich, ein Friedhof für überdimensioniert große Bilder, ein Aneinanderreihen plakativer Aussagen und Stereotype sowie der offenbar unter Folterandrohung erzwungene Verzicht auf Nebensätze. Das Schema ist bekannt. Mag auch nie ein Mensch mit vollem Verstand einen Kicker-Redakteur für den Grimme-Preis im Sinne haben, das sportjournalistische Grauen hat seine Heimat bei den Autisten der Sport-Bild. So weit, so schlecht.

Für jeden Verein der 1. und 2. Bundesliga wird ein besonderer Fan vorgestellt. So ein Rollstuhlfahrer für Freiburg, ein auf Tobago lebender Aussteiger für Kaiserslautern oder ein Pfarrer für Burghausen. Hinzukommend darf sich jeweils ein „Promi-Fan“ produzieren. Bei Hertha BSC ist dies eine gewisse Ruth Moschner (wer ist das?). Für sie ist Hertha „unberechenbar, emotional, temperamentvoll und sexy!“ Na, klasse.

„Warum kann ich eigentlich nicht einfach mal nur Tabak kaufen gehen?“

Als weitere Seitenfüller dienen nicht nur die üblichen Tipps wie Stadion-Anfahrt, Bratwurst- und Eintrittspreise oder auch Infos zum Verein im Internet, sondern zusätzlich ganz tolle Insidertipps. Hierzu gehören laut Sport-Bild die Lieblingslokalitäten der Stars. Vor dem geistigen Auge taucht denn auch unweigerlich Manfred Rögelein auf, wie er mit seiner High-Speed-Shampoonier-Maschine vor dem P1 steht — vielleicht, wenn er Glück hat — würde sich der dortige Türsteher noch zu einem routiniert freundlichen „‘tschuldigung, schon voll“ herablassen. Na ja, eher nicht. Aber Olli wäre bestimmt ziemlich begeistert.

Ärgerlich wird es, wenn wichtige Bestandteile und Themen der Fanszene einer Pflichtübung gleich nur kurz und inhaltlich unbefriedigend gestreift werden: Die Ultra-Bewegung, Groundhopper, der Cäsarenwahn von Ordnungskräften im Stadion oder die ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze des LKA in NRW), mittels derer immer mehr harmlose Besucher eines Fußballspiels für bis zu fünf Jahre als Gewalttäter Sport, datenrechtlich bedenklich, erfasst und vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden.

Der Fan im Ausland schließlich wird auf einen Bericht über das Maracana-Stadion in Rio de Janeiro reduziert. Und das geht so: „Junge Frauen in bunten Bikinis und sexy Kostümen tanzen zu Samba-Rhythmen. … Wenn dann knapp bekleidete Mädchen tanzen und verzückte Fans stundenlang feiern wie im Karneval, dann spürt jeder, dass der Mythos lebt.“

Peinlich!