Foto von G. Schröder, G. Niebaum und R. Kaiser

Gute Laune und finanziell alles im Griff — Späßekenmacher unter sich

Fussballpolitik

Fan-Porträt Gerhard Schröder, Bundeskanzler und bekennender Fan von Borussia Dortmund

Das Verhältnis von Fußballvereinen und Politikern ist symbiotisch*. Bei jedem Verein wird sich ein Politiker finden, der auf der Tribüne den Edelfan gibt und/oder sich in irgendwelchen Vereinsgremien die Narrenkappe aufsetzt und auf wichtig macht. Das Polit-Männchen erhofft sich dadurch Aufmerksamkeit und die Zuneigung der Wählerschaft nach dem Motto: „Wenn der Dingsda den FC Popelhausen gut findet, dann kann der doch kein schlechter Mensch sein! Den wähle ich!“ Der Verein erhofft sich dadurch mehr mediale Aufmerksamkeit und natürlich die Unterstützung des Politik-Funktionärs, sei es bei der alljährlichen Begleichung der Flutlichtrechnung in der Kreisliga oder beim Bau von mehreren hundert Millionen Euro teuren multi-irgendwas Arenen. Wenn der Verein mal weniger Erfolg hat, kann es vorkommen, dass sich der Politiker eine Zeit lang ziemlich rar macht, da das Gesehen-Werden mit Verlierern von Medienberatern für imageschädigend gehalten wird. Aber im Herzen bleibt er treu. Im Idealfall aber haben beide Lebewesen etwas von ihrer symbiotischen Gemeinschaft, im nicht so idealen Fall schmähen Kritiker das gerne als Filz und Vetternwirtschaft. So ist das im kleinsten Kaff oder auch in München bei Edmund Stoibers Bayern, eine Symbiose übrigens so harmonisch, wie Deckelchen und Töpfchen oder Hund und Herrchen. Wie seiner Karin ist der Edmund auch schon immer dem FC Bayern München treu, beide sind bundesweit bekannt in ihrem Metier und werden von mindestens der Hälfte der Republik zutiefst verabscheut, und das aus den gleichen Gründen: arrogantes Dominanzgehabe, streberhafter Größenwahn und ekelhaft dauerhafter Erfolg charakterisieren sowohl den Fußballverein als auch den bayerischen Ministerpräsidenten. Edmund Stoiber hat bei der Auswahl seines Vereins treffsicher den Erfolg gewählt, was nicht jeder Polit-Fan von sich behaupten kann.

„Gerhard Schröder kommt wie der BVB von ganz unten.“

Da wäre z.B. der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, ein spät bekennender Fan der Borussia Dortmund GmbH & Co. KgaA Waidb (Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft auf Aktien. Was auch immer das bedeutet.). Und wie sich Herrchen und Hund mit der Zeit einander gleichen, so weisen auch die Erfolgskurven von Borussia Dortmund und Gerhard Schröder bemerkenswerte und bisher nicht erkannte Ähnlichkeiten auf. Im Guten und im Schlechten legt der BVB meistens einen vor und Gerhard Schröder zieht dann nach, beflügelt oder deprimiert von seinen Dortmundern, je nachdem. Gerhard Schröder kommt wie der BVB von ganz unten. Er wuchs auf in ärmlichen Verhältnissen in einer Baracke neben einem Fußballplatz. Der BVB kommt vom Borsigplatz im Dortmunder Norden, auch nicht gerade die beste Adresse. Schröder versteht was von Fußball, er selber hat die Mannschaft von TUS Talle damals in die Bezirksliga geschossen und sagt heute über die gute alte Zeit: „Sie nannten mich ‚Acker', weil ich mich immer voll reingehängt habe, und ich gebe zu, ich war schon ein bisschen stolz auf den Spitznamen. Über den Kampf zum Spiel finden, das war meine Devise.“ Das mit dem voll reinhängen hat dann aber irgendwann auf dem Weg nach oben etwas nachgelassen. Heute gleicht er eher einem dieser schlampigen Spielmachertypen, die im Mittelfeld rumhängen und die anderen die Arbeit machen lassen. Aber wenn es einen Elfmeter gibt, ist klar, wer den dann reinmachen darf.

„Gerahmt an der Wand sieht die Aktie ganz gut aus.“

Schröder studierte nach dem Abi auf dem Abendgymnasium Jura und ließ sich 1976 als Anwalt in Hannover nieder. Da ging es dann auch mit den Dortmundern langsam wieder aufwärts, die 1976 nach bitteren Jahren der Zweitklassigkeit wieder in die erste Bundesliga aufstiegen. Dann kommt für Politiker und Lieblingsverein eine Zeit des Herumlungerns irgendwo im Mittelfeld mit kleineren Erfolgen und größeren Rückschlägen. Schröder ging nach ein paar Bundestagsjahren in den achtziger Jahren zurück nach Niedersachsen und wurde 1990 zum Ministerpräsidenten gewählt, eindeutig getragen vom Rückenwind des DFB-Pokalerfolges der Dortmunder 1989. Für den BVB begann damit die große Zeit der neunziger Jahre: Vizemeister 1992, tolle Auftritte im UEFA-Cup und schließlich die Meisterschaften 1995 und 1996. Aber auch Gerhard Schröder war nicht faul, er wurde 1994 und 1998 als Ministerpräsident wieder gewählt und näherte sich langsam aber sicher seinem größten Coup: dem Sieg bei der Bundestagswahl 1998. Der BVB hatte da das Beste schon hinter sich und 1997 gegen Juventus Turin die Champions League gewonnen und im selben Jahr den Triumph im Weltpokalfinale gegen Belo Horizonte gefeiert.

Die nächsten Jahre passierte dann nicht mehr viel, da es sowohl dem BVB als auch dem Gerd zu eigen ist, sich nach großen Erfolgen erst mal ein paar Jahre auf die faule Haut zu legen, alles ein bisschen schluren zu lassen und sich dadurch erst so richtig in Schwierigkeiten zu bringen. So kam es zur Katastrophensaison 1999/2000 beim BVB mit Beinaheabstieg und zu diversen Wahlklatschen der SPD in mehreren Landtagswahlen und persönlichen Umfragewerten des Kanzlers auf dem Niveau des Aktienkurses des BVB. Dazu kommt noch ein Faible für unsolide Finanzen. Sozialdemokraten und Vereinspotentaten können halt nicht mit Geld umgehen! Sie sind aber leider auch unfähig dazu, andere Leute einzustellen, die das besser könnten. So hat der Gerd den Hans Eichel und der BVB Michael Meier und eine Aktie, die man besser nicht gekauft hätte. Aber man kann sich trösten: Gerahmt an der Wand sieht sie ganz gut aus.

„Nee lass mal, wir haben den Titel ja schon gewonnen.“

Wer nach diesem Seuchen-Intermezzo aber gedacht hat, der Kanzler und der BVB wären erledigt, sah sich schwer getäuscht. Denn im Jahr 2002 wurde alles wieder gut! Gerd Schröder wurde als Kanzler wiedergewählt und der BVB mal wieder Meister. Schröder brauchte dafür als kleine Unterstützung allerdings einen Krieg und ein Jahrhunderthochwasser, bei den Dortmundern reichte Klaus Toppmöller und Bayer Leverkusen, die sich aus alter Gewohnheit geweigert hatten, endlich mal Erster zu werden. Und dann wieder das bekannte Muster: Erst mal Ausruhen! Reformen? Wofür? Champions-League? Nee, lass mal, sollen doch die anderen mitmachen, wir haben den Titel ja schon mal gewonnen!

Und so wird es weitergehen mit Kanzler und Lieblingsverein. Beide können an guten Tagen Großes vollbringen und ihre Gegner alt aussehen lassen. Aber sie sind auch immer mal wieder in der Lage, mit Schlendrian ihre Freunde und Anhänger zur Verzweiflung zu treiben.

Also aufgepasst, verehrte Bundesligisten. Für das Jahr 2006 haben sich zunächst der BVB und dann der Kanzler wieder einiges vorgenommen. Dazwischen funken könnte allerdings Klinsis Team, aber das könnte man ja umgehen, indem der BVB dann einen Hauptteil davon stellen könnte. Schröders Macherqualitäten könnten dann wieder zutage treten. Die Politik wird doch wohl Mittel und Wege finden, aus ein paar Tschechen, Skandinaviern und Brasilianern deutsche Nati-Spieler zu machen.

David H. Gehne

*Duden: Sym|bi|o|se, die; -, -n [griech. symbíosis = das Zusammenleben]
(Biol.): das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen: in S. leben;
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